erschienen in : Donaustrudl Sport
Nr. 146, Juni 2011

 

Fanmeile

Sport, das ist nicht nur im Idealfall gesunde Bewegung an der frischen Luft, das ist für Millionen von Menschen auch Interessengebiet, Unterhaltung, wird teilweise zum Lebensinhalt. Diese Fans sind es, die sportliche Großveranstaltungen ihre spezielle Stimmung geben und erst interessant machen, denn auch für die Sportler selbst ist es wohl eher deprimierend, ihre Wettkämpfe vor leeren Rängen auszutragen. Mit den Fans kommt aber nicht nur der Jubel, sondern in so manchen Fällen auch Probleme, und gerade des (nicht nur) Deutschen liebstes Kind, der Fußball kann in diesem Zusammenhang auch mit traurigen Beispielen aufwarten.

Aber anstatt der Theorie anheim zu fallen und aus der Literatur zu zitieren habe ich lieber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Polizeieinsatz anlässlich des Spieles Jahn Regensburg gegen Hansa Rostock am 7. Mai zu begleiten.

Samstag Vormittag um 11 Uhr, auf den Stufen zur Bahnhofshalle treffe ich auf die Kollegen der MZ und kurz darauf auf die Pressebetreuer, Thomas Plößl von der Landes- und Manfred Pöllinger von der Bundespolizei, die uns mit ersten Informationen versorgen. Rund 1600 Karten des aus Rostock angeforderten Kontingentes seien dort auch verkauft worden, alles in allem rechne man mit gut 2000-3000 Fans aus der Hansestadt. Und ca. 125 davon reisen mit dem Zug um 11:36 an, auf den wir nun warten. Die Hauptaufgabe der Bundespolizei, die für die Sicherheit der Bahnanlagen zuständig ist besteht dabei darin, die Fans schnell und ohne Zwischenfälle aus dem Bahngelände hinaus zu begleiten sowie bei Großlagen dieser Art im Allgemeinen zu verhindern, dass es schon bei der Ankunft zu Auseinandersetzungen mit den örtlichen Fans kommt. Die Hansa, so erklärt man uns, hat natürlich auch ihre Problemfans, aber das gelte im Prinzip für jeden Fußballverein. Um das Problempotential im Vorfeld abschätzen zu können greift die Polizei auf die Hilfe so genannter "Szenekundiger Beamter" bzw. "Fankundiger Beamter", wie sie bei der Bundespolizei heißen, zurück, Menschen also, die zugleich Polizisten und Fußballfans sind, die sich in den einschlägigen Fankreisen bewegen und schon in der Planungsphase, die, wie wir erfahren, durchaus einige Wochen in Anspruch nimmt, wertvolle Hinweise auf die zu erwartende Stimmung liefern.

Die wiederum erscheint uns als außergewöhnlich ruhig, was uns von den Polizeisprechern auch so bestätigt wird. Die Tabellenlage mit dem sicheren Aufstieg für Rostock und dem ebenso sicheren Klassenerhalt für den Jahn trägt dazu sicher ebenso viel bei wie der Umstand, dass viele der Fans einfach müde sind; auch kein Wunder bei bis zu 18 Stunden einfacher Fahrzeit von Rostock nach Regensburg. Das bestätigt mir auch ein junger Hansa-Fan, seit Freitag Abend 19:00 sei er unterwegs und ist nun froh, Regensburger Boden unter den Füßen zu haben. Zwar beschwert sich ein unbeteiligter Bahnfahrgast bei uns über den Lärm, den die Fangesänge verursacht haben, aber auch die Beamten der Bundespolizei, die die Rostocker Fans während der Zugfahrt begleitet haben melden keine besonderen Vorkommnisse.

Außerhalb des Bahnhofsgeländes übernimmt die Bayerische Landespolizei. Rund 600 Mann/Frau stark sei man vor Ort, so erfahren wir später, neben den örtlichen Kräften auch Züge der Bereitschaftspolizei aus München, Nürnberg und Dachau, und besonders augenfällig die Reiterstaffel, die man sich aus München ausgeliehen habe und die am Übergang zur Maxstraße Spalier steht.

Im Kielwasser der Hansa setzt sich nun auch unser kleiner Pressepulk in Bewegung, immer auch unter den wachsamen Augen der Bereitschaftspolizisten, die uns in Richtung Jahnstadion lotsen. Kurz vor dem Anpfiff treffen wir außerhalb des Stadiongeländes den Einsatzleiter, Polizeivizepräsidenten Michael Liegl, der uns aus erster Hand mit Informationen über die aktuelle Sicherheitslage versorgt. Ein Streit zwischen einem Busfahrer und fünf Rostocker Fans konnte durch die Polizei geschlichtet werden. Außerdem sei eine herrenlose Tasche voller "pyrotechnischer Gegenstände" sichergestellt worden, ansonsten sei die Situation allerdings ruhig. Unter den fast 3000 Rostocker Fans befänden sich rund 100 Personen der Kategorie B und C. Wir lassen uns diesen polizeilichen Sprachgebrauch näher erläutern. Unter Kategorie A fällt demnach die überwiegende Masse der Fans, die ihren Verein unterstützen und einfach nur das Spiel sehen wollen. Kategorie B umfasst die situationsbedingt gewaltbereiten Fans, die nicht mit der Absicht kommen, Gewalt auszuüben, aber Aggressionspotential in sich tragen. Die gewaltsuchenden Fans dagegen, die als Kategorie C bezeichnet werden, sind an den Fußballspielen weniger interessiert als an Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans und der Polizei. Vor allem letztere, die unter den anwesenden Hansa-Fans nur einen geringen Anteil von ca. 10 Personen ausmachen, achten verstärkt darauf, nicht gleich auf den ersten Blick als Fußballfans erkannt zu werden. Es sind wiederum die szenekundigen Beamten aus Rostock, die mit angereist sind und ihre Regensburger Kollegen hier bei der Identifizierung potentiell gewalttätiger Personen unterstützen. Letztlich geht es dabei auch darum, nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch die zahlreichen friedlichen Fans vor Gewalttaten zu schützen, sowohl physisch wie auch moralisch. Denn dass eine kleine, radikale Minderheit in der öffentlichen Wahrnehmung die überwiegende friedliche Masse nachhaltig in Verruf bringt ist immerhin ein Problem, das nicht nur Fußballfans vertraut ist. Einen Moment lang blicke ich anschließend auch an mir selbst hinab. Festes Schuhwerk, eine Umhängetasche, in der ich statt meiner Presseutensilien ja auch Waffen oder Feuerwerkskörper mit mir führen könnte, und ansonsten völlig unauffällig gekleidet, so könnte ich auch als Fan der Gruppe C durchgehen, aber zum Glück habe ich ja Polizeischutz.

Letztlich sind dann auch wir an unseren Plätzen auf der Tribüne angelangt, übrigens in Sichtweite der so genannten "Vorgeschobenen Befehlsstelle", die der örtlichen Polizeieinsatzleitung dient und von der aus die Maßnahmen während des und unmittelbar nach dem Spiel koordiniert werden. Und da ich nicht als Sportberichterstatter, sondern als Polizeireporter vor Ort bin gilt mein Interesse nicht nur den Ereignissen auf, sondern auch am Rand des Spielfeldes. Plötzlich fliegen Gegenstände aus der blau-weißen Fankurve, die sich bei genauerer Betrachtung als Schuhe und Kleidungsstücke herausstellen. Kurz vor Spielende nehmen sich einige Rostocker ein Herz, klettern über den Zaun und werfen die Klamotten wieder zurück. Auch in die Tribünen kommt Bewegung, links und rechts des Rostocker Fanblocks marschiert Polizei auf, und auch uns zieht es weg von unseren Plätzen in Richtung deren Bereitstellungsräume. Pünktlich mit dem Schlußpfiff rücken starke Kräfte der Bereitschaftspolizei auf das Spielfeld vor und bilden einen Riegel gegen die ca. 1000 Rostocker, die nun ebenfalls aufs Grün wollen. Von meiner erhöhten Position aus beobachte ich einen vermummten Hansa-Fan, der auf die Polizeiabsperrung zugeht, kurz vorher sein Tuch vom Gesicht zieht und einen Beamten in ein Gespräch verwickelt. Wenig später trennen sich beide lachend voneinander, und diese Szene mag stellvertretend für die insgesamt ruhige und lockere Atmosphäre nach dem Spiel stehen. Auch der abschließende Polizeibericht kommt zu einem positiven Ergebnis. Neben einigen kleineren Vorfällen, bei denen sich auch Regensburger nicht gerade rühmlich verhalten haben, verlief der Tag ohne wesentliche Zwischenfälle.

Und wenn sich die Gelegenheit bietet ist auch der Donaustrudl wieder für seine Leserinnen und Leser mit dabei!

 

 


 

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